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Museumsmanagement Niederösterreich, Foto: Katrin Vogg

Junger Begegnungsha(u)fen

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Hafnerbach liegt am Rand des Dunkelsteinerwaldes, zwischen Melk und St. Pölten, im Süden das Pielachtal, im Norden die Wachau. Umgeben von vielen Angeboten für Kultursuchende, scheint der kleine Erholungsort im Herzen des Bundeslandes ein neues Kapitel in seiner Kulturlandschaft schreiben zu wollen.

Seit ein paar Jahren formiert sich um den neuen Obmann des hiesigen Kulturvereins eine kleine, aber überaus motivierte Truppe von ganz unterschiedlich denkenden Anpackerinnen und Anpackern. Ihre Verbindung ist die ehrenamtliche Arbeit, mit der sie die kulturelle Szene der Gemeinde neu gestalten wollen.

Kein Theater, kein Museum, wo sind die Räume für Kultur?

Doch zuerst mussten Schließungen verkraftet werden: Die Theatergruppe stellte nach 2011 den seit 1925 bestehenden Unterhaltungsbetrieb ein. 2013 räumte man das Museum, um es neu zu gestalten. Diese Pläne fielen dem Umbau des Gemeindeamtes zum Opfer, da die Räumlichkeiten des Museums als vorübergehende Büros dienen sollten. Die amtsführende politische Fraktion versuchte kulturelles Programm zu bieten, die mühsam erhaltenen kulturellen Zentren des Ortes wurden aber immer weniger bespielt. Dies war teils finanziell bedingt, teils dem Mangel an Zeit und auch dem abnehmenden ehrenamtlichen Engagement im Bereich Kultur. Die leitende Generation im Kulturverein war um die 60, die jüngere war nur in der Theatergruppe vertreten.

2015 trat mit Stefan Greimel ein junger, in der Gemeinde wenig bekannter Musiker als neuer Intendant des Burgtheaters Hohenegg und später Obmann des Kultur- und Tourismusvereines selbst mit auf die Bühne. Sein Engagement schafft seither ein abwechslungsreiches Programm auf der Burg, dem Wahrzeichen der Gemeinde.

Bei der Neugestaltung des Theatersaales traf er dann bei einer Montageaktion auf den zweiten jungen Wilden im heutigen Bunde, Oliver Regelsberg. Einheimischer, Ansässiger, Geschichtelehrer. Bei Gesprächen über die Neuorientierung des Vereins im Beisein des ehemaligen Museumschefs Anton Oezelt fiel rasch der Satz: „Du bist Lehrer? Dann hast eh Zeit und Geschichte unterrichtest jo a, du machst das Museum neu!“. So kamen „Freiwillige“ wohl auch schon früher zu solchen Ehren. Doch Neugierde und Ehrgeiz waren geweckt, und Oliver wurde zum Museumsdirektor, denn:, „ein bisschen Organisationsgeschick und Gespür für Leut‘ muss man als Lehrer ohnehin haben.“

Ein Museum ist keine Eintagsfliege

Bald erscheint es notwendig, die Arbeit im Verein auch auf dem Papier aufzuteilen, was die Gründung einer neuen Sektion im Verein nach sich zog. Die Teilung der Verantwortlichkeiten für die Entwicklungen des künftigen kulturellen Angebotes war unter den jungen Wilden aufgrund der vielen Aufgaben notwendig geworden. Dabei war besonders erfreulich, dass die „alten Museumsmenschen“ mitzogen. Sie spürten wohl, dass der frische Spirit im Verein keine Eintagsfliege war.

Nach der Begutachtung der Räumlichkeiten und der Exponate, sah sich die neu gegründete Sektion aber einem Mammutprojekt gegenüber. Schon im Jahr 2013 war in Workshops ein neues Museumskonzept erarbeitet worden, doch hatte sich die damalige Arbeitsgruppe aufgelöst. Nach ersten Sanierungsarbeiten, wurde rasch klar, dass es mehr brauchte, als die Exponate einfach wieder einzuräumen und fertig. Dies war schlicht nicht mehr zeitgemäß, bei allen überwog der Wunsch nach etwas Modernem.

"Wir haben damals auch was Neues gemacht und die Alten haben uns schief angeschaut."
(Anton Oezelt, ehemaliger Museumsleiter)

Daher wurde die ehemalige Gruppe von 2013 unter der Anleitung eines Museumsberaters vom neu gewählten Sektionsleiter wieder zusammengebeten. Digitale Infrastruktur, interaktive Medieninhalte, sozialer Medienauftritt, ein eigener Raum für Sonderausstellungen und Veranstaltungen wie Lesungen oder Workshops waren nur einige Neuerungen, die angestrebt wurden. Wenige „Alte“ verabschiedeten sich gleich wieder, denn ihnen wurde rasch klar, dass das neue Konzept mit dem ehemaligen Heimatmuseum nicht mehr zu vergleichen wäre. Einige blieben, und das nicht nur um den Jungen auf die Nase fallen zu sehen.

Diese Entwicklungen führte für die neue Leitung zu vielen Gesprächen mit dem ehemaligen Verantwortlichen des Heimatmuseums, Anton Oezelt, oft inhaltlich, noch öfter, um zu wissen, wie man es angeht. Schließlich hatte dieser in vielen Stunden nicht nur Museumsgegenstände erhalten, sondern auch einen Wissensschatz angesammelt, von dem ein Junger nur träumen konnte. Nach einer der vielen Workshopsitzungen, bei denen das neue Konzept erarbeitet wurde, ließ er allerdings durchblicken: „Recht viel hat es mit meinem Museum nicht mehr zu tun, was wir hier erarbeiten. Aber des passt schon, etwas Neues ist gut. Wir haben damals auch was Neues gemacht und die Alten haben uns schief angeschaut.“ Damit hatte das neue Konzept seine Berechtigung, ja geradezu die Absolution erhalten und der nächste Schritt hin zu einem technisch und optisch modernen, aber gleichzeitig bodenständigen Museum konnte gegangen werden.

Money, money, money

Da sowohl das Gebäude als auch die Einrichtung durch die Gemeinde erhalten wurden, ging es als Nächstes um die Finanzierung der Neugestaltung. Die öffentliche Hand bietet hier sehr viele Möglichkeiten. Es begann die Zusammenarbeit mit der LEADER-Region Wachau-Dunkelsteinerwald, die mit einer Projektlaufzeit von vier Jahren eine erhebliche Summe an Fördergeldern in Aussicht stellte. Doch zuerst mussten einige Dinge auch intern geklärt werden.

Die Gemeinderätinnen und Gemeinderäte spürten einen neuen Spirit, als ihnen das Konzept per Imagevideo präsentiert wurde. „Setze mehr auf Kultur“ wurde Bürgermeister Stefan Gratzl mit seinem eigenen Zitat aus einem Zeitungsartikel zitiert und ihm mit den Ideen der Arbeitsgruppe gezeigt, wie Kultur Tradition und Wandel in Hafnerbach vereinen kann. Mit Zusage der Fördergelder vom Land Niederösterreich packte letztlich auch ihn der Ehrgeiz, neben den vielen anderen finanziell belastenden Projekten in der Gemeinde das Forum.Hafnerbach, ein Museum mit einem modernen Veranstaltungsraum, zur Gänze zu stemmen. Im Gegenzug dazu verpflichtete sich der Verein, in den vier Jahren viel ehrenamtliche Zeit zu investieren, um die Kostenobergrenze zu halten. Das bedeutete, finanzielle Unterstützung zu finden und den Kreis der Mitarbeitenden zu erweitern. Hier waren die gut vernetzten „Oidn“, welche die Tür zu Vernetzungstreffen und in der Region potenten Sponsorinnen und Sponsoren öffneten, sehr wertvoll.

Das persönliche Gespräch als wertvollste Ressource

Vier Jahre können eine lange Zeit sein. Etwa, wenn man die Dauer der baulichen Maßnahmen nicht abschätzen kann. Oder dass inhaltliche und bauliche Arbeiten nicht allein vom Museumsleiter geschafft werden können. Genau dabei können 4 Jahre aber auch helfen. Olivers Kinder etwa wachsen in dieser Zeit zu begeisterten Fans des heimischen Fußballvereins heran, er begleitet sie auf den Platz und kommt mit vielen Bekannten ins Gespräch. Die regelmäßigen Besuche in den lokalen Gasthäusern auf ein After Work-Bier, die Mitarbeit im Kirchenchor und im Kulturverein bei den Veranstaltungen auf der Burg lassen durch die vielen Gespräche die Zahl, der im Forum.Hafnerbach engagierten ehrenamtlich Engagierten in nur vier Jahren auf mehr als 40 Personen mit einem Altersschnitt von rund 50 anwachsen. Das persönliche Gespräch ist die wertvollste Ressource, um Ressourcen zu schaffen! Von der helfenden Hand, die alte Sessel für den Veranstaltungsraum saniert, über die gelernte Schauspielerin, welche die Audioinhalte einspricht, bis zum Kartografen, der im Landesarchiv den Inhalt des Museums wissenschaftlich absichert: die Liste der Mitarbeitenden liest sich wie ein Querschnitt durch alle Altersgruppen und Bevölkerungsschichten.

    „Is des wos Neichs?“

    Während der Entwicklungszeit hin zum neuen Museum hörte Oliver am Stammtisch oft: „Was is des Forum.Hafnerbach, is des wos Neichs?“ oder „Wieso mocht da junge Bua vom Regelsberg des jetzt, i hob glaubt des mochn die Oidn!“ Das zeigt, dass in vier Jahren der Wandel vom Alten zum Neuen erkannt und vollzogen worden ist. Dabei war und ist den Jungen immer bewusst, wie viel sie von den „Oidn“ lernen können, wie viel diese geleistet haben. Alle, die dieses Projekt nun mittragen, leisten einen Beitrag, dass dieses Alte auf etwas Neues treffen kann. So wurde ein Ort geschaffen, an dem sich alle Generationen treffen, um miteinander Tradition und Wandel zu erfahren und aktiv mitzugestalten. Das Forum.Hafnerbach versteht sich als Ort der Begegnung, wo Einheimische wie Zugezogene die Geschichte der Region kennenlernen, Lesungen lauschen, Musik hören, Bilder betrachten oder einfach zusammenkommen, um Gemeinschaft in Hafnerbach zu leben.

    Text: Oliver Regelsberg

     

    Anm. der Redaktion:
    Das Forum.Hafnerbach ist am 1. September 2024 eröffnet worden und ist ganzjährig von Dienstag - Sonntag, 9-17 Uhr, bei freiem Eintritt zu besuchen. 

     

    Einblicke in das neugestaltete Forum.Hafnerbach

    Dieser Artikel ist in leicht gekürzter Form im Schaufenster 03/2024 der Kultur.Region.Niederösterreich erschienen: 
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    weiterführende Links:
    Forum.Hafnerbach (Website) | facebook | instagram