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Museumsmanagement Niederösterreich, Foto: Katrin Vogg

Vom Leben im Depot. Weberknechte und Grabbeigaben inkl.

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Das Team des Museumsmanagement brach in nach Krumbach in der Buckligen Welt auf, um dort zwei Tage lang ein Garagenlager, welches das Museumsdorf Krumbach in der Buckligen Welt als Depot für nicht inventarisierten Bestand nützte, zu räumen und die Gegenstände darin zu katalogisieren. Konkret bedeutete dies für uns, nach der Sichtung zu entscheiden, was mit den einzelnen Objekten geschehen sollte, ob sie behalten und ausgestellt, einem anderen Museum weitergegeben, entsammelt oder gar entsorgt würden.

Das versprachen also zwei spannende Tage zu werden ganz nach dem Motto,  "Wer weiß, was wir finden?"

Wie es tatsächlich war und was wir gefunden haben? Diese reich bebilderte Nachlese verrät es euch!

Arbeiten, nicht mitdenken!

Wie auf den Fotos unten zu sehen ist: der Hinweis auf passende Arbeitskleidung war Gold wert! Es wurde schmutzig, staubig und weberknechtig, ein bissl bäääh halt. Man erkennt gleich, für diese Arbeit braucht es schon die richtige Motivation und ein ordentliches Quantum Neugierde. Beides brachten wir mit, stürzten uns ins Vergnügen - und stellten fest: es ist gar nicht so leicht, sich strikt an die vorrangigen Aufgaben zu halten. Ganz ehrlich, die Objekte nur herauszuräumen, zu säubern und zu identifizieren, abzumessen, zu beschreiben und ihrem Erhaltungszustand nach zu beurteilen, ohne gleichzeitig mit der Recherche zu beginnen, ist leichter gesagt als getan.

Aber was, wenn man vielleicht gar nicht so genau weiß, was man da vor sich hat?

Versuch dir vorzustellen, du stößt auf ein Objekt, das du nicht zuordnen kannst. Von dem du keine Ahnung hast, was das sein könnte, wozu man es gebraucht hat. Dennoch fühlst du dich angesprochen und möchtest mehr dazu wissen. Oder aber es tritt der umgekehrte Fall ein und dir fällt etwas in die Hände, was du instinktiv einfach wegwerfen würdest. Und eben das kann schon einmal passieren...

Vom Wert des Wertlosen

Darf es ein kleines Beispiel sein? Gleich zu Beginn fanden wir Plastikblumen. Alt, ausgebleicht, und … naja, Plastikblumen halt. Ehrlich gesagt hielten wir sie für Müll. Genau dorthin, in den Müll, hätten wir die Blumen auch schon fast geschmissen. Doch ein Hinweis unserer Chefin hielt uns auf: diese Blumen waren ganz typischer Schmuck von Feldkapellen und, da sie älteren Datums waren, von besserer Qualität. Somit durften die Blumen bleiben, wurden aufgenommen und inventarisiert. - Das Foto beweist es!

Diese Begebenheit macht nachdenklich: Wer entscheidet über den Wert eines Objektes? Vielleicht ist ein bestimmter, vermeintlich unbedeutender Gegenstand ja Teil eines größeren Konvoluts, das uns in seiner Vielfalt so einiges erzählen kann, wenn man es nur lässt. Schließlich ist das Gesamte immer mehr als die Summe seiner Einzelteile.

Gibt es Ordnung im Chaos?

Von diesen Gedanken geleitet, erahnt man in den scheinbar willkürlich zusammengewürfelten Gegenständen eine Geschichte. Langsam zeigt sich immer deutlicher, wo man ist, wer hier wie gelebt hat. Denn man sollte nicht vergessen: Nur weil einem selbst etwas fremd und unbekannt ist, heißt das nicht, dass ein Objekt nicht sammlungswürdig ist. Hier schließt sich der Kreis. 

Geschichte entsteht und besteht nun einmal aus Geschichten, aus dem Alltäglichen und den Erfahrungen der einzelnen Menschen. Gegenstände bilden diese Lebenswelten ab, verraten so vieles über einen Ort, wie man dort lebte, womit Geld verdient wurde, welche Tätigkeiten den Tag, welche Riten und Bräuche den Jahresablauf bestimmten. Das gilt übrigens nicht nur für die Vergangenheit. Schließlich verreisen die meisten von uns auch heute mit der Absicht, "ein Land und seine Menschen kennenzulernen“.

Zwischen den Dingen lesen

Doch zurück zur Realität: Wir fanden landwirtschaftliche Geräte wie Hacken, Äxte, Beile, Melkschemel und Dreschflegel, dazu Nähmaschinen, Bücher, Fleischerbeile und Wurstspritzen, Zahnarztstühle und Waschmaschinen, einen Glockenschlägel, Kruzifixe, Andachtsbilder und den Kirchturmspitz einer Dorfkapelle. Uns erwarteten die Konvolute eines Schusters, einer Damenschneiderin und das eines Tischlers. Wir bargen eine Zither, einen Kontrabass, Geigen und zwei Trommeln, eine Goldhaube und auch eine Plastikpuppe. Dazwischen versteckte sich natürlich so manches, das wir nicht identifizieren konnten. Ach ja, zwei Mörsergranaten aus dem ersten Weltkrieg waren auch darunter. Keine Sorge: Polizei und Entminungsdienst waren rasch zur Stelle, konnten Entwarnung geben und die Objekte – und mit diesen die Sorgen der Hausbesitzerin - fachgerecht abtransportieren.

Ganz ehrlich: das klingt aufregender als es tatsächlich war. Auch wirken die anderen Funde nicht superspannend, das ist uns bewusst. Stellt euch unsere Enttäuschung vor, als wir in der einen geheimnisvollen Kiste, die wir extra bis zum Schluss aufgehoben haben - als Belohnung sozusagen - nur Holzwolle drin war. Und Mäusekot. Sonst nichts. Keine Schätze, keine Geheimnisse, nur Holzwolle, Mäusekot und Luft.

Doch genau dank dieser Gegenstände gewannen wir. Und zwar eine gute erste Vorstellung vom Lebensalltag in Krumbach in der Buckligen Welt während der vergangenen Jahrzehnte. - Ist das etwa nichts wert?

Wissen, wie es geht

Übrigens, für uns waren diese Tage ein perfektes Training on the job. Die Arbeit in Krumbach war eine tolle Gelegenheit, einige Inhalte unseres Lehrgangs für Museumskustod*innen in der Praxis anzuwenden. Dies begann schon im Büro mit dem Befüllen der Inventarisierungskoffer, dem Erstellen und Ausdrucken der Inventarblätter, dem Einpacken von Planen, Unterlagen und - gaaanz wichtig! - der Kaffeemaschine (!), sodass wir vor Ort fachgerecht und zielsicher Schäden und Schädlinge bestimmen konnten. Wir wurden nicht enttäuscht: von Holzwurm, Abrieb, Rost und Korrosion bis hin zu Verfärbungen und Schimmel war alles mit dabei, wurde dokumentiert und erlaubte die Beurteilung des Objektzustandes.

Eigennutz, der anderen nützt

Wie geht es mit diesen Ergebnissen nun weiter? Nun, die zwei Waschmaschinen finden im Wäschepflegemuseum in Schönbach eine neue Heimat, während eine der vielen (und schweren!) Nähmaschinen vielleicht nach Wiener Neustadt übersiedeln wird.  Wir wiederum nehmen die gesichteten Objekte in die Inventardatenbank DIP.noemuseen auf und stellen die Liste den Verantwortlichen in Krumbach zur Verfügung. Diese haben nämlich noch die Sichtung von drei weiteren Depots vor sich. So soll unser Einsatz eben nicht einfach ein Betriebsausflug der anderen Art für uns sein, sondern vor allem auch Orientierung und Motivation für unsere Gastgeber.

Und vielleicht, nach der Lektüre dieses Textes, fassen ja auch andere Mut, sich ihrer Depots anzunehmen. Die Objekte, die dort auf uns warten, sind es wert!

Text: Barbara Linke