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Museumsmanagement Niederösterreich, Foto: Katrin Vogg

Warum sammeln?

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Gestern noch modern, heute in der Vitrine: Die erste Mikroausstellung im Museum Horn zeigte Spielekonsolen, die noch gar nicht so alt sind.

Sammeln übersteigt die Erfüllung der Bedürfnisse. Doch sei die Frage gestattet: Sammeln auch Sie? Schuhe? Taschen? Bücher, Postkarten, Geschirr? Oder hängt Ihr Herz an „neumodischerem Zeug“ wie etwa an Spielekonsolen der 1990er Jahre?

Ich zählte damals zu den Glücklichen und erhielt so einen „Game Boy®“ als Weihnachtsgeschenk. Was war das für eine Freude, wie viel Zeit verbrachte ich mit dem „Kastl“! Und wie groß war meine Überraschung im letzten Jahr, als ich im Museum Horn eine sogenannte Mikroausstellung besuchte. Dazu wird eine Vitrine einen Monat lang einem bestimmten Thema gewidmet, um junge Sammlerinnern und Sammler mit ihren Interessen zu zeigen. Just die erste Mikroausstellung zeigte Spielekonsolen meiner Kindheit. Die Flut an schönen Erinnerungen ließ mich hautnah erleben, welche Emotionen Objekte auslösen können, und ich begann, der Sammelleidenschaft nachzuspüren.

Objekte der Begierde – und fürs Image

Emotionen sind so individuell wie Sammlerinnen und Sammler, die manches, das für uns ein selbstverständlicher, unwichtiger oder gar unnützer Alltagsgegenstand ist, als so wertvoll erachten, dass sie viel Zeit, Geld und Wohnraum für den Erhalt dieser Objekte aufbringen. Für nicht wenige private Sammlungen in Niederösterreich wurden sogar eigene Ausstellungshallen errichtet!

Das mag für Außenstehende nicht immer zu verstehen sein. Doch kann uns diese Liebhaberei Sammlungen von Weltrang bescheren! Diese machen oft aus einem Museum ein „großes Museum, das man gesehen haben muss“. Dahinter steckte meist eine Person, die ihren Interessen und Leidenschaften frönte, die Zugang zu den Objekten der Begierde und auch finanzielle Ressourcen dafür hatte und diese Voraussetzungen weidlich nutzte. Denken wir nur an die Wunderkammern, die ab der Renaissance aufkamen. Weltliche wie geistliche Würdenträger sammelten alles, was anders, unterhaltsam und interessant wirkte. Etwa Magensteine von Ziegen, die aus verschluckten unverdaulichen Materialien bestanden und vor vergifteten Getränken schützen sollten (übrigens: diese wundersamen Stücke, „Bezoar“ genannt, schafften es sogar in die Harry Potter-Reihe!). Jedenfalls wollte mit der Erforschung und öffentlichen Zurschaustellung der Wunder der Natur die eigene Stellung untermauert werden. Heute würde man das wohl als Imagekampagne bezeichnen. Gleichzeitig wurde damit der Grundstein für das Konzept „Museum“ gelegt. Einen Einblick in eine solche Natur- und Wunderkammer bietet etwa Stift Neukloster in Wiener Neustadt.

Kein Museum ohne Sammlung

Eine gut dokumentierte Sammlung ist die wesentliche Grundlage für gute Museumsarbeit. Und, wenn man gut zuhört, sprechen Menschen aus ihr. So erfährt Annemarie Täubling vom Museumsverein Orth an der Donau gerade, wie sehr „typisch männliche“ Interessen für die Jagd, die Fischerei oder auch die beiden Weltkriege die Sammlung geprägt haben. Sie hingegen schwärmt für die Geschichten des Archives und für die Dinge des täglichen Lebens: „Altes Geschirr, eine alte Gabel – so etwas in Händen zu halten, da geht mir das Herz auf.“ Diese Alltagsgegenstände mit ihren Abnutzungsspuren erzählen vom „normalen“ Leben, von ihrer Wertschätzung als (in doppeltem Sinne) teures Objekt und setzen unser Kopfkino in Gang.

Durch die Inventarisierung und Eingliederung in eine museale Sammlung werden einfache Dinge zu Museumsobjekten aufgewertet, erfahren bleibende Wertschätzung und belohnen jene, die sie erforschen, mit (noch) ungeschriebenen Geschichten. So ist das Sammeln nicht bloß Zeitvertreib oder Manie, sondern auch Lehrmeister: es fordert und fördert unsere Achtsamkeit mit jenen Stücken, die bereits heute das Morgen in sich tragen.

Stichwort Sammel-Leidenschaft

Gesammelt wird so gut wie alles. Ein neuer Trend sind digitale Zertifikate für virtuelle Gegenstände. Das ist nichts für Sie? Sie bevorzugen Konkretes wie Traktoren und Eisenbahnen, Puppen, Goldhauben oder Pfeifen? Telefonapparate, Spielzeug, Backformen oder Nussknacker? Diese sind nur ein paar Beispiele für Gegenstände, die in Niederösterreich von Privatpersonen gesammelt und glücklicherweise zugänglich gemacht oder in den Museen verwahrt, dokumentiert und ausgestellt werden. Versehen mit Informationen zu den Menschen, die diese Objekte herstellten, mit ihnen arbeiteten und lebten, mit Wissen zu den Zeiten, in denen diese Objekte entstanden und in Verwendung waren, werden einzelne Stücke zu kulturellen Zeugen des Lebens.

Neugierig, was es alles gibt? Schmökern Sie im Webverzeichnis des Museumsmanagement Niederösterreich im Themenkatalog „Museumslandschaft“ unter „Sammel-Leidenschaft“ und lassen Sie sich überraschen!

 

Text: Barbara Linke

 

Dieser Artikel ist im Schaufenster 01/2024 der Kultur.Region.Niederösterreich erschienen.

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